Freitag, 15. Januar 2010

Deine Pflicht

„Tu was du willst soll sein das ganze Gesetz.“
„Es gibt kein Gesetz jenseits von Tu was du willst.“
„[...] du hast kein Recht, außer deinen Willen zu tun. Tu dies, und keiner soll nein sagen.
Denn reiner Wille, unbefleckt von Zweck, erlöst vom Gelüst nach Ergebnis, ist in jeder Weise vollkommen.“
„Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.“
„Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.“

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A. Deine Pflicht Dir selbst gegenüber

1. Empfinde dich selbst als das Zentrum Deines eigenen Universums.
„Ich bin das Feuer, das in jedem Menschenherzen brennt, und im Kern eines jeden Sterns.“

2. Entdecke die Natur und die Kräfte deines eigenen Seins.
Dies schließt alles ein, was ist oder was für Dich möglich sein kann; und Du mußt alles genauso akzeptieren, wie es in sich selbst ist, als einen der Faktoren, welche Dein Wahres Selbst ausmachen. Dieses Wahre Selbst schließt letztendlich alle Dinge, welche auch immer, mit ein; seine Entdeckung ist Initiation (die Reise nach innen) und wie seine Natur in ständiger Bewegung ist, sollte es nicht als statisch, sondern als dynamisch verstanden werden, nicht als Substantiv, sondern als Verb.

3. Entwickle in angemessener Harmonie und im richtigen Verhältnis jede Fähigkeit, die du besitzt.
„Weisheit sagt: sei stark!“
„Doch übertriff! übertriff!“
„Sei stark, oh Mensch! begehre, genieße alle Dinge der Sinne und Wonne; fürchte nicht, daß irgendein Gott dich deshalb verleugne.“

4. Denke über Deine eigene Natur nach.
Erwäge jedes Element daraus, auf zweierlei Arten, sowohl getrennt von, als auch in Beziehung zu allem anderen, um exakt das wahre Ziel der Totalität Deines Seins zu beurteilen.

5. Finde die Formel dieses Ziels, oder des „Wahren Willen“, in einem möglichst einfachen Ausdruck.
Versuche klar zu erkennen, wie die Energien, die Du kontrollierst, am besten zu beeinflussen sind, um die Resultate zu erhalten, die aufgrund ihrer Beziehungen zu dem Teil des Universums, den Du noch nicht kontrollierst, am geeignetsten sind.

6. Steigere die Herrschaft des Bewußtseins und seine Kontrolle aller Kräfte, die ihm fremd sind, bis zum Äußersten.
Tue dies durch die immer strengere und geschicktere Anwendung Deiner Fähigkeiten hin zu der feineren, klareren, volleren und genaueren Wahrnehmung, dem besseren Verstehen und der weiser geordneten Herrschaft dieses äußeren Universums.

7. Erlaube es dem Denken oder Willen irgendeines anderen niemals, Deinen eigenen Willen zu behindern.
Sei beständig mit unüberwindlichem Eifer und der Heftigkeit unlöschbarer Leidenschaft wachsam darin, jeden Versuch irgendeines anderen Wesens übelzunehmen, oder auf der Hut, ihm zu widerstehen, Dich auf andere Weise zu beeinflussen als durch Beisteuerung neuer Tatsachen zu Deiner Erfahrung des Universums, oder dadurch, daß es Dich darin unterstützt, eine höhere Synthese der Wahrheit zu erlangen, mittels der Methode leidenschaftlicher Verschmelzung.

8. Unterdrücke oder behindere nicht irgendeinen wahren Instinkt Deiner Natur; jedoch widme alles in Perfektion dem alleinigen Dienst Deines einen Wahren Willens.
„Seid stattlich deshalb“
„Das Wort der Sünde ist Begrenzung. O Mann! Weise dein Weib nicht zurück, wenn sie will! O Liebhaber, wenn du willst, scheide! Es gibt kein Band, das die Getrennten zu vereinen mag, außer der Liebe: alles andere ist ein Fluch. Verflucht! Verflucht sei es auf die Äonen! Hölle.“
„So mit all deinem; Du hast kein Recht, außer deinen Willen zu tun. Tu dies, und keiner soll nein sagen. Denn reiner Wille, unbefleckt von Zweck, erlöst vom Gelüst nach Ergebnis, ist in jeder Weise vollkommen.“
„Güter sollt ihr euch zusammentragen und vielerlei Frauen und Gewürze; prachtvolle Juwelen sollt ihr tragen; die Völker der Erde sollt ihr an Pracht & Stolz übertreffen; aber immer in der Liebe zu mir, und auf diese Weise sollt ihr zu meiner Freude gelangen.“

9. Frohlocke!
„Bedenkt ihr alle, daß Dasein reine Freude ist; daß all die Sorgen nichts als Schatten sind; sie ziehen vorbei & sind getan, aber da ist das, was bleibt.“
„Ihr aber, o mein Volk, erhebt euch & erwachet! Die Rituale mögen recht ausgeführt sein mit Freude und Schönheit! [...] Ein Fest für das Feuer und ein Fest für das Wasser; ein Fest für das Leben, und ein größeres Fest für den Tod! Ein Fest jeden Tag in euren Herzen in der Freude meiner Wonne! Ein Fest jede Nacht für Nu, und den Sinnengenuß der höchsten Wonne! Ja! Feiert! Frohlockt! Es gibt keinen Schrecken danach. Die Auflösung geschieht darin, und ewige Ekstase in den Küssen von Nu.“
„Jetzt frohlocke! jetzt komm in unsere Pracht & Wonne! Komm in unseren leidenschaftlichen Frieden, & schreib süße Worte für die Könige!“
„Erbebe mit der Freude über Leben & Tod! Ah! dein Tod wird köstlich sein: wer immer ihn schaut, wird glücklich sein. Dein Tod soll das Siegel des Gelöbnisses unserer uralten Liebe sein. Komm! Erhebe dein Herz und frohlocke!“
„Soll ein Gott in einem Hunde leben? Nein! Nur die höchsten sind von uns. Frohlocken werden sie, unsere Auserwählten: wer trauert, ist nicht von uns. Schönheit und Stärke, perlendes Lachen und köstliches Ermatten, Kraft und Feuer, gehören zu uns.“
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B. Deine Pflicht gegenüber anderen einzelnen Männern und Frauen

1. „Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.“
Vereinige Dich leidenschaftlich mit jeder anderen Form von Bewußtsein, so das Gefühl des Getrenntseins von dem Ganzen zerstörend und eine neue Basislinie im Universum schaffend, von welcher es zu messen ist.

2. „Als Brüder kämpft!“
„Wenn er ein König ist, kannst du ihn nicht verletzen.“
Die Unterschiede zwischen zwei Gesichtspunkten ins Auge springend herauszustellen, ist für beide notwendig, um die Position eines jeden innerhalb des Ganzen zu bemessen. Kampf stimuliert die männliche und kreative Energie; und, wie die Liebe, von welcher er eine Form ist, steigert er den Geist zu einem Orgasmus, welcher befähigt, seinen rationalen Stumpfsinn zu transzendieren.

3. Halte Abstand von allen Beeinträchtigungen anderer Willen.
„Gebt acht, daß nicht einer den anderen zwinge, König gegen König!“
(Die Liebe und der Krieg in den vorangegangenen Bestimmungen sind von der Natur des Sports, wo man den Gegner respektiert und von ihm lernt, aber sich niemals außerhalb des Spiels mit ihm einläßt.) Zu versuchen, jemand anderen zu dominieren oder zu beeinflussen, heißt, zu versuchen, ihn zu deformieren oder zu zerstören; und er ist ein notwendiger Teil seines eigenen Universums, das heißt, seiner selbst.

4. Versuche, so Du es willst, einen anderen zu belehren, sollte sich die Notwendigkeit ergeben.
Dies sollte immer dann mit dem strengen Respekt für das Verhalten eines guten Sportsmannes getan werden, wenn jener durch das Versäumnis, sich selbst klar zu verstehen, in Not ist, besonders wenn er ausdrücklich nach Hilfe verlangt. (Ebenso mag seine Dunkelheit als Warnung dienen oder Interesse erwecken.) Es ist ebenfalls erlaubt, wenn seine Ignoranz dazu geführt hat, sich in den Willen eines anderen einzumischen. Jede Einmischung ist in jedem Fall gefährlich, und verlangt durch Übungen erworbene Erfahrung in extremer Geschicklichkeit und gutem Urteilsvermögen. Einen anderen zu beeinflussen heißt, die eigene Zitadelle unbewacht zu lassen; und der Versuch endet gewöhnlich im Verlust der eigenen Souveränität.

5. Achte alle!
„Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.“
„Erbarmen laßt beiseite: verdammt die, die Mitleid haben!“
„Nichts haben wir gemein mit den Ausgestoßenen und den Jämmerlichen: Sollen sie in ihrem Elend sterben. Denn sie fühlen nicht. Mitleid ist das Laster der Könige: tretet nieder die Jämmerlichen & die Schwachen: dies ist das Gesetz der Starken: dies ist unser Gesetz und die Freude der Welt. Denke nicht nach, oh König, über diese Lüge: Daß Du Sterben Mußt: wahrlich, nicht sterben wirst du, sondern leben. Also muß es verstanden sein: Wenn der Leib des Königs vergeht, wird er in reiner Ekstase in alle Ewigkeit bestehen. Nuit! Hadit! Ra-Hoor-Khuit! Die Sonne, Stärke & Sicht, Licht; diese sind für die Diener des Sterns & der Schlange.“
Jedes Wesen ist, genau wie Du es bist, das alleinige Zentrum eines Universums, in keiner Weise identisch mit, oder auch nur ähnlich, Deinem eigenen. Das unpersönliche Universum der „Natur“ ist nur eine beinahe wahre Abstraktion der Faktoren, die dazu geeignet sind, als gemeinsam für alle angesehen zu werden. Das Universum eines anderen ist daher unbekannt für Dich, und unerkannt von Dir; aber es löst Energieströme in dem Deinigen aus, indem es teilweise Deine Reaktionen bestimmt. Behandle Männer und Frauen deshalb mit dem absoluten Respekt, der den unverletzlichen Maßstäben der Wertschätzung angemessen ist; verifiziere Deine eigenen Beobachtungen durch Vergleich mit entsprechenden Beurteilungen, die von ihnen getroffenen wurden; und, indem Du die Methoden studierst, die ihr Fehlschlagen oder ihren Erfolg bestimmen, erlange für Dich selbst die Weisheit und Geschicklichkeit, die erforderlich ist, Deine eigenen Probleme zu lösen.
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C. Deine Pflicht gegenüber der Menschheit

1. Etabliere das Gesetz von Thelema als einzige Basis des Verhaltens
Die allgemeine Wohlfahrt des Menschengeschlechts ist in vielerlei Hinsicht für Deine eigene notwendig, wobei allgemeines Wohlergehen, wie Dein eigenes, prinzipiell eine Funktion der intelligenten und weisen Einhaltung des Gesetzes von Thelema ist. Es ist daher von allererster Wichtigkeit für Dich, daß jedes Individuum frei das Gesetz annehmen und sich selbst strikt leiten sollte in voller Übereinstimmung damit.
Du solltest die Etablierung des Gesetzes von Thelema als ein essentielles Element Deines Wahren Willens ansehen, bis, was immer die endgültige Natur dieses Willens ist, die offensichtliche Bedingung, ihn zur Ausführung zu bringen, Freiheit von äußerer Einmischung ist.
Regierungen legen oft die kläglichste Stupidität an den Tag, wie aufgeklärt auch immer die Menschen sein mögen, die sie zusammengestellt und konstituiert haben, oder die Leute, deren Bestimmung sie lenken. Es obliegt deshalb jedem Mann und jeder Frau, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um die Revisionen aller existierenden Statuten auf der Basis des Gesetzes von Thelema zu bewirken. Da dieses Gesetz ein Gesetz der Freiheit ist, muß das Ziel der Gesetzgebung sein, für jedes Individuum im Staat die umfassendste Freiheit zu sichern, bei Vermeidung der vermessenen Annahme, daß jedes gegebene positive Ideal es wert ist, erhalten zu werden.
„Das Wort der Sünde ist Begrenzung.“
Das Wesen des Verbrechens ist, daß es die Freiheit des verletzten Menschen einschränkt. (So beschränkt Mord sein Recht auf Leben; Raub sein Recht, die Früchte seiner Arbeit zu genießen; Geldfälschung sein Recht. in Sicherheit Handel zu treiben, welches ihm der Staat garantiert; etc.) Es ist somit die allgemeine Pflicht, durch Absonderung des Kriminellen und durch Drohung der Inhaftierung, Verbrechen zu verhüten, und ebenso den Kriminellen durch Analyse seiner Handlung zu belehren, daß diese im Gegensatz zu seinem eigenen Wahren Willen steht. (Dies mag oft dadurch ergänzt werden, daß man ihm das Recht wegnimmt, das er anderen streitig gemacht hat; so durch Ächtung des Diebes, so daß er, aus dem Staatsbezirk entfernt, beständig die Angst um die Sicherheit seines eigenen Besitzes spürt.) Diese Regelung ist ganz einfach. Der, der irgendein Recht verletzt hat, erklärt magisch, daß es nicht existiert; deshalb tut es dies auch nicht länger, für ihn.
Da Verbrechen eine direkte spirituelle Vergewaltigung des Gesetzes von Thelema ist, sollte es in der Gemeinschaft nicht toleriert werden. Diejenigen, die diesen Instinkt besitzen, sollten in einer Siedlung abgesondert werden, wo sie einen Staat mit ihresgleichen bilden, um die Notwendigkeit, Gesetzesregeln aufzustellen und einzuhalten, an sich selbst zu lernen.
Alle künstlichen Verbrechen sollten abgeschafft werden. Wenn phantastische Beschränkungen verschwinden, lehrt die größere Freiheit des individuellen Willens diesen selbst, Handlungen zu vermeiden, die wirklich natürliche Rechte beschränken. So wird tatsächliches Verbrechen dramatisch vermindert.
Die Verwaltung des Gesetzes sollte dadurch vereinfacht werden, daß diejenigen Menschen in Aufrichtigkeit und Diskretion trainiert werden, deren Wille es ist, diese Funktion in der Gemeinschaft zu erfüllen: über alle Beschwerden durch das abstrakte Prinzip des Gesetzes von Thelema zu entscheiden, und auf der Basis der von dem Angreifer verursachten aktuellen Beschränkung das Urteil zu fällen.
Das endgültige Ziel ist es deshalb, das Bewußtsein unter Zuhilfenahme wahrhaft wissenschaftlicher Prinzipien wieder völlig herzustellen, als Wächter über das Verhalten, das die Menschen an den Tag legen, und als Garantie für die Herrschenden.



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D. Deine Pflicht gegenüber allen anderen Lebewesen und Dingen
1. Wende das Gesetz von Thelema auf alle Probleme der Tauglichkeit, Fähigkeit und Entwicklung an.
Es ist eine Vergewaltigung des Gesetzes von Thelema, die natürlichen Qualitäten irgendeines Tieres oder Gegenstandes zu mißbrauchen, indem man es oder ihn von seinen eigentlichen Funktion abbringt, die ihm in Anbetracht seiner Geschichte und Struktur bestimmt ist. So ist es ein Verbrechen gegen die Natur, Kinder zur Durchführung mentaler Operationen oder zur Praktizierung von Aufgaben, für die sie untauglich sind, zu trainieren. In ähnlicher Weise ist es ein Vergehen, Häuser aus verrottetem Material zu bauen, Nahrung zu verderben, Wälder zu zerstören, etc., etc. Das Gesetz von Thelema ist entschlossen anzuwenden, um jede Frage des Verhaltens zu entscheiden. Die irgendeiner Sache innewohnende Eignung für irgendeinen beabsichtigten Gebrauch sollte das einzige Kriterium sein.
Scheinbar, und manchmal sogar wahrhaftig, werden häufig Konflikte zwischen den Interessen auftauchen. Solche Fälle sind mittels des allgemeinen Wertes der beteiligten Parteien auf der Skala der Natur zu entscheiden. So hat ein Baum ein Recht auf Leben; aber da ein Mensch mehr als ein Baum ist, mag er ihn fällen, wenn er Brennstoff oder ein Obdach braucht. Jedoch soll er dessen eingedenk sein, daß das Gesetz niemals darin fehlgeht, Verstöße zu rächen: so, wenn mutwillige Abholzung das Klima oder den Boden ruiniert hat, oder wenn der Import von Hasen als billige Nahrungslieferanten eine Plage verursacht hat.
Beachte, daß die Verletzung des Gesetzes von Thelema sich verstärkende Krankheiten verursacht. Der Strom der Landbevölkerung in die großen Städte, hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß sie überredet wurden, ihre natürlichen Ideale aufzugeben, hat nicht nur das Land weniger erträglich für den Bauern gemacht, sondern auch die Stadt verdorben. Und der Irrtum tendiert dazu, in geometrischer Progression anzuwachsen, bis eine Abhilfe fast undenkbar geworden ist, und die ganze Struktur der Gesellschaft vom Ruin bedroht ist.
Die weise Anwendung, basierend auf der Befolgung und der praktischen Kenntnisse des Gesetzes von Thelema, ist, in bewußter Harmonie mit der Evolution zu arbeiten. Experimente in der Gestaltung, einschließlich der Variation bestehender Modelle, sind rechtmäßig und notwendig. Ihr Wert ist aufgrund ihrer Fruchtbarkeit zu beurteilen, inwiefern sie den Beweis ihrer Harmonie mit dem Verlauf der Natur hin zur Perfektion erbringen.

Aleister Crowley